Ok, ich bin noch völlig begeistert! Man verzeihe mir die Euphorie. Mein Wissenschaftskollege Paul Lamere, drüben bei SUN, hat ein Web2.0 Mashup mal eben gebastelt, das wirklich rockt! Eine hübsche Visualisierung per Flickr-Material passend zu den Songs, die man gerade bei last.fm mit dem Player hört. Also für alle die sowieso schon last.fm hören, bitte dringend bei Snappradio vorbeigucken. Ist nur 1-Klick weg!
Flughafen Detroit, vier Stunden Aufenthalt: Wie immer streife ich durch die Geschäfte. In der Buchhandlung fällt mein Blick auf einen Stapel weißer Bücher, die prominent plaziert sind – “The Long Tail” von Chris Anderson.
Wir erinnern uns: 2004 erscheint im Wired Magazine ein gleichnamiger Artikel von Chris Anderson, damals wie heute Chefredakteur des Magazins. Der Artikel beschreibt einen einfachen Zusammenhang: Wenige Produkte werden sehr häufig verkauft, viele Produkte jedoch nur sehr selten. Mit anderen Worten: Wenn man die Produkte anhand ihrer Popularität sortiert und dann die Anzahl der Verkäufe in einem Graph abträgt, erhält man eine klassische “Power Law”-Verteilung.
Soweit nix spannendes, das kann man sich an drei Fingern herleiten. Das Buch beginnt mit einer – für meinen Geschmack zu ausführlichen – Beschreibung dieses Sachverhalts: Populäre Dinge verkaufen sich halt nun mal häufiger als Dinge, die fern des Mainstreams sind. Die sich anschließende Diskussion der Konsequenzen hat es dafür wirklich in sich.
Anderson argumentiert, daß die Wirtschaft sich bis jetzt auf das erste Drittel der Produkte, nämlich die populären, konzentriert hat. Und zwar aus einfachen ökonomischen Überlegungen: Wenn man z.B. als Buchhändler unpopuläre (aber durchaus gute) Bücher in seine Regale stellt, wird man das lokale Publikum nicht so sehr ansprechen als sich das mit Bestsellern tun läßt. Daher macht es Sinn, sich auf die Hits zu konzentrieren – alle unpopulären Bücher kosten Platz und binden Geld, sprich: Man kann weniger populäre Titel anbieten.
Was aber, wenn man unbegrenzten Platz in seinem Bücherregal hätte? Und dazu noch Bücher nur dann druckt, wenn sie auch wirklich gebraucht würden? Dann könnte man einfach alle Bücher anbieten. Auch diejenigen Bücher, für die es vielleicht nur zwei potentielle Käufer in der Stadt gibt. Das Überraschende daran: Rund zwei Drittel der Buchverkäufe sind Bücher, die nur in sehr geringen Stückzahlen verkauft werden, also auf hinteren Teil der Long Tail zu finden sind. Nach dem Motto “Kleinvieh macht auch Mist” läst sich also mit diesen Büchern sehr wohl Geld verdienen.
Genauso funktioniert Amazon: Es macht Sinn, einfach jedes Buch anzubieten, denn die Kosten dafür sind sehr gering. Selbst wenn Amazon selbst das Buch nicht hat, so verkauft es vielleicht jemand über den Marketplace. Und das Geld fließt.
Andersons Verdienst ist es, die Konsequenzen der Long Tail zu durchdenken: Von Sears über Amazon und eBay zu Youtube – die ökonomischen Grundlagen werden klar. Das Buch liest sich recht flott, es ist kurzweilig – wenn auch etwas lang. Insgesamt eine interessante Ergänzung zu “Wir nennen es Arbeit” (ich habe gespickt, später kommt auch die Long Tail dort vor – so weit bin ich allerdings noch nicht).
Den Begriff “Küchenwissenschaft” habe ich schonmehrmals verwendet um damit eine etwas fragwürdige, nicht ganz ernst gemeinte und spielerische Art der Wissenschaft zu bezeichnen, so wie “ei ei was seh’ ich” auf küchenfranzösisch ja auch “œuf œuf que lac je” heißt.
Gestern stolperte ich in diesem Blog über den Begriff “Küchenlinguistik”, der offensichtlich eine ähnliche Art der Linguistik beschreibt.
Die Frage, die sich aufdrängt: Welche Küchen-Wissenschaften gibt es noch? Wie verbreitet sind sie?
Sucht man nach allgemein küchenwissenschaftlichen Veröffentlichungen im Internet, stellt man schnell fest, dass es sich meistens um Kochbücher u.ä. handelt, also Dinge, die sich wirklich mit Küchen beschäftigen. Tatsächlich bin ich laut technorati und Google der einzige echte Küchenwissenschaftler. Auch die multimediale Abdeckung der Küchenwissenschaft ist eher schlecht. Etwas grenzwertig zu bewerten ist ein Workshop während der Europäischen Wissenschaftswoche 2004 (PDF), ging es dabei doch um die physikalischen Eigenschaften von Obst und Gemüse.
Trotzdem führt das direkt zu einer anderen Küchenwissenschaft. Der
Küchenphysik
Die einzige bloggende Küchenwissenschaftlerin hat ihren Betrieb leider eingestellt, dafür aber die elementaren Gesetze der Küchenphysik aufgestellt:
Nasse Handtücher leiten.
Wenn du heisses Wasser aus dem Wasserhahn lässt, dir danach die Hand verbrennst, diese untern Wasserhahn hältst und aufdrehst, kommt zuerst heisses Wasser.
Der Rost ist auch beim zweiten anfassen immer noch heiss.
Auch das Glas vom Backofen ist heiss.
(Am Rande: Es scheint sich um einen Spezialfall von Murphys Gesetz zu handeln)
Der Schweizer Filmemacher Martin Rikli drehte 1943 einen Film namens “Küchenphysik / Küchenzauber”. Ob die Küchenphysik sich dieses fragwürdigen Erbes bewusst ist, ist fraglich. Eine Untersuchung oder gar Aufarbeitung der Verstrickung von Küchenphysikern in NS-Verbrechen hat es nach dem Krieg jedenfalls nicht gegeben.
Lampert Heller über die Frage, warum sich Juristen mit Wikis beschäftigen. War mir neu dass sie das tun, seine küchensoziologische Erklärung klingt aber einleuchtend. A propos:
Küchenjura
Damit scheint sich noch niemand so wirklich auseinander gesetzt zu haben. Es gibt einen echten Google-Treffer, der im wesentlichen den “Vertragsfrieden” der Küchenjura zuordnet.
Freitag in Hamburg haben Sascha Lobo und Holm Friebe aus ihrem Buch Wir nennen es Arbeit gelesen (der Bionade-Faktor im Publikum war übrigens ziemlich hoch).
In dem Buch skizzieren die beiden einen Lebens- und Arbeitsentwurf jenseits fester Anstellungen, den sie als digitale Bohème bezeichnen. Digitale Bohemiens sind eine Mischung aus selbständigem Unternehmer und Künstler und leben und arbeiten vor allem selbstbestimmt.
Die Beobachtung der beiden ist, dass diese Form der Arbeit zwar nicht neu ist (schon Balzac hat sich dazu geäußert, freilich war es damals die analoge Bohème), aber in den letzten Jahren erheblichen Zulauf erhält. Das habe vor allem zwei Gründe: Feste Angestelltenverträge werden insgesamt rarer, schwerer zu bekommen und unsicherer (und verlieren damit auch einen Teil ihrer Attraktivität) während es auf der anderen Seite technische Entwicklungen gibt, die das knüpfen und pflegen von sozialen Kontakten erheblich vereinfachen (“Web 2.0″, WLAN an vielen Ecken).
Der prototypische digitale Bohemien hat immer mehrere Projekte am Laufen, von denen einige dem Broterwerb dienen und eher langweilig sind und andere der Selbstverwirklichung dienen. Ausdrücklich offen gelassen wird dabei, wohin die Selbstverwirklichungsprojekte führen. Weil wir die Zukunft nicht kennen, können wir keine Voraussagen darüber treffen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse einmal wichtig werden. Mit vielem, was belächelt wurde, lässt sich doch Geld verdienen, und via Internet ist es leichter, die Leute zu finden, die Geld für das bezahlen, was man sowieso gerne tut.
Das Buch, welches ich gekauft, aber noch nicht fertig gelesen habe, geht noch auf eine ganze Reihe anderer Themenkomplexe ein, z.B. die makroökonomische und kulturelle Bedeutung der digitalen Bohème, die Renaissance des Ortes etc.
Persönlich habe ich Zweifel, ob digitale Bohème z.B. für Wissenschaftler ein tragfähiges Modell ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich mit Grundlagenforschung in Computerlinguistik z.B. Geld verdienen lässt, wenn sie nicht öffentlich oder von großen Unternehmen finanziert wird, die sich später davon Profit erhoffen. Aber vielleicht geben die rund 150 Seiten, die ich noch vor mir habe Aufschluss.
Sich mit alternativen Arbeits- und Lebensentwürfen zu beschäftigen ist aber in jedem Fall auch für Wissenschaftler lohnenswert, sind doch unbefristete Festanstellungen ohnehin eher die Ausnahme als die Regel im Wissenschaftsbetrieb.
Termine für künftige Lesungen gibt es hier, die nächste ist am 23.10. (morgen) in Trier.
Trendwatching ist nicht nur trendy sondern unglaublich anstrengend. 8000 Trendscouts arbeiten Trendwatching.com zu. Die Ergebnisse gibt es daher gegen gutes Geld in vielfältigen Formaten. Leider für uns in der Forschungslandschaft nicht immer erschwinglich. Immerhin gibt es hier und da auf der Seite einige funkelnde Ausblicke in die wunderbare Welt der Trends.
Mein Favorit: Generation C, endlich weiss ich wo ich hingehöre.
PS: und was hat das mit Science zu tun? Ich beschäftige mich mit Verfahren der Informatik, um aus den Tiefen des Web inkusive der Blogosphäre Trends aufzuspüren. Mit Verfahren des Crawling, Information Retrieval, Shallow Parsing und Data Mining/Machine Learning. So gesehen ist manuelles Trendwatching ein brauchbarer “Groundtruth”, also die von Menschen ermittelte Faktenlage.
Via Stylewalker kam dieses Sevenload-Video einer gesprächigen Blogrunde. Bekannte Blogger bekommen ein Gesicht! Und sprechen tun die deutschen Blogger natürlich Euroenglish.
Erster! :) Ja liebe Kollegen vom HBS ich warte und warte, dass endlich einer was zu diesem grandiosen Buch postet. Na gut, dann ich. Am Freitag kam das Buch per Post per Amazon, was sonst. Nach 2 Dauerlesesessions je 4 Stunden war ich dann durch. Klingt zu schnell für 250 fein bedruckte Seiten?
Wohlgemerkt ohne überflüssiges Bildmaterial, lediglich geschmackvoll, sparsamen Kapitelillustrationen. Man kann das schaffen, obwohl mir nachgesagt wird ein Schnellleser zu sein. Das Buch ist ganz hervorragend geschrieben, die rechte Mischung zwischen klaren Sätzen und profunder Recherche. Die Autoren sprechen natürlich über ihren erlebten Lebens- und Arbeitsalltag, was der Sache in höchstem Maße zuträglich ist.
Also: Für alle, die ein erfülltes Arbeitsleben jenseits der Festanstellung anstreben, ist dieses Buch die Gebrauchsanleitung. Für alle anderen Menschen? Auch eine dringende Empfehlung. Und wenn es dann hier und da ein wenig eng wird, bspw. wie sich ein Familienleben mit einer unsicheren, nomadischen Arbeitsweise verträgt, dann nehmen die Autoren Stellung, anstatt etwas auszusparen.
Mehr gibts hier nicht, ich verweise auf reges Kommentieren, dies erscheint mir die angebrachte Form der Auseinandersetzung in diesem Fall!
Katja Schwab führt einen hervorragenden Weblog namens “Psychologie des Alltags“. Da sie so nett war zu fragen, ob sie den Button benutzen darf, kommt sie nicht nur auf die Blogroll, sondern auch hier einen etwas prominenteren Platz. Vielen Dank! Und ja, den Button kann eigentlich jeder hard blogging scientist benutzen.
Auf der BlogTalk Reloaded 2006 in Wien hat Anne Bartlett-Bragg unter dem Titel “Reflections on pedagogy: Understanding adult learners” ihre Arbeitsanstöße für das Arbeiten mit Weblogs vorgestellt. Interessant ist die Tatsache, dass die Australierin ihre Studenten anweist, sämtliche ihrer Notizen im studentischen Alltag auf ihrem Weblog festzuhalten. In ihrem Vortrag erläutert Sie die Problematik sowie die Hindernisse, die im Lern- und Überzeugungsprozess in ihrem Unterricht entstehen. Als Resultat ihrer Blog-Aktivitäten erhalten die Studenten eine chronologisch sortierte Geschichte des eigenen Lernprozesses. Vorteil dieser Methode zeigt sich auch in Form der Suche, die das schnelle Durchsuchen der eigenen Notizen erlaubt. Außerdem stellt die sympathische und quirlige Australierin heraus, sind die Weblogs sofort öffentlich einsehbar und fördern das Publizieren der eigenen Meinung. Das fördert in ihren Augen die eigene Kritikfähigkeit und das Formulieren einer eigenen Meinung.
Ihr Vortrag sowie Ihre Präsentation sind auf der BlogTalk-Website als Video und PDF erhältlich.
Weitere Gedanken, Links und Anmerkungen zur BlogTalk Reloaded findet man im Phlow-Magazin unter dem Titel “Blogtalk 2006: We go social?!?”.
“Der Einfluss der Medien auf die Eltern sei enorm, sagt Runge. Selbst scheinbare Konstanten im Elternverhalten wie die Impfskepsis können plötzlich ins Gegenteil umschlagen, wenn das Fernsehen von einer Masernepidemie berichtet: Dann sitzen im Wartezimmer plötzlich Mütter und Väter, die bereits ihre wenige Wochen alten Säuglinge gegen die Krankheit immunisieren wollen – viele Monate bevor die Impfung ansteht.”